Montag, 8. September 2008
der lange marsch
man hatte mich zu einer wanderung hinzugebeten und ich habe, ohne zu zögern, zugesagt. man hatte mir bilder vorgelegt und sich verständnisvoll nach dem ausmaß meiner höhenangst erkundigt. eine kammwanderung sollte es werden, eine gratwanderung wurde es dann.

zunächst war noch alles in ordnung. 7.30 abholzeit in hüttelsdorf und zu fünft ging es im reisebus der kollegin gen kalkalpen und gegen 9.00 waren wir auch schon vor ort, lackenhof, ca. 850m über normalnull. den rest der truppe trafen wir am fuße des berges, in funktionstextilien und morgendliche einsilbigkeit gekleidet so wie wir, wie ich zumindest.

dann brachen wir auf, einen wald- und forstweg entlang, mäßig ansteigend, der gipfel außer sichtweite. forsches tempo - kein problem. plötzliches anhalten und ein pfad (das wort wanderweg wäre nun wirklich übertrieben) der sich steil in den wald und den berg hinauf wand. wir hinterher, also dem pfad. abgesehen von einer durchschnittlichen steigung, die meine schlimmsten vorahnungen bestätigte, gab es hier nichts zu berichten. mehrere kleinere pausen zur flüssigkeitsaufnahme und beseitigung der schlimmsten schweißströme, schon wegen der fliegen.

haltungsnote beim wassertrinken eine glatte 5,9

erste etappe: baumgrenze, ungefähr 500 höhenmeter über dem ausgangspunkt. der ausblick war nun wirklich vom feinsten und der selbstwählbare abstand zum abgrund auch erträglich. ich entschied mich für die nummer, bei der man mit dem rücken zu dem größten umherliegenden felsmassiv sitzt und den abgrund aus sicherer entfernung fest im blick behält - man weiß ja nie! nur für einen kurzen fototermin ließ ich mich von der wand weglocken, meine laune war dementsprechend!

für die höhenangst hatte ich nur einen verächtlicher blick übrig

den blick immer wieder in richtung gipfel schweifen lassend, wird mir das ganze ausmaß meines komplizierten verhältnisses zur höhe an sich deutlich. noch hatte ich nur eine dunkle ahnung ... eine selbsterfüllende prophezeiung, wie sich bald herausstellen sollte.

rauer kamm und gipfel

wir erreichten den eigentlichen kamm, den ich schon im vorfeld als tiefpunkt unserer wanderung identifiziert hatte, ob der tatsache, dass hier abweichungen vom pfad weder nach links noch rechts folgenlos geblieben wären. der geübte tunnelblick half mir zwar, die schlimmsten sorgen zu vertreiben, vernebelte aber ebenso meinen blick für das dahinter liegende größere ganze: felsen ganz ohne pfad, felsen, die nur kletternd zu bewältigen waren.

wie die gemsen

danach eine weitere kurze pause (übrigens nie meinetwegen!) in der ich meinen gedanken endlich freien lauf lassen konnte. die biester kreisten jedoch nur immer weiter um das eben überstandene und die tatsache, dass vor uns menschen auf dem pfad zu sehen waren, die dann wie von geisterhand in einer wand wieder auftauchten. die möglichkeiten, dabei von den glattpolierten felsen abzurutschen oder beim festhalten an einen losen zeitgenossen zu geraten waren nicht nur vielfältig, ich habe sie auch alle innerlich durchdekliniert. half aber alles nichts, musste ja weitergehen.

erster aufstieg

der finale anstieg zum großen ötscher

und was soll ich sagen? die wand, die man ja logischerweise meistens mit dem gesicht zum stein erklettert, war dann auch nicht schlimmer als die überlegungen dazu. eher besser, fast schon gut. obwohl ich innerlich schon immer wieder einen gedanken an mich presste, der sich und mich fragte, warum man sich das denn nun antut, nicht zuletzt, weil mir das meer schon immer besser gefallen hat. auf dem gipfel in 1900 metern höhe genoss ich meinen adrenalinrausch dennoch in vollen zügen aber auch im stillen so wie ich vorher im stillen gelitten hatte (an dieser stelle gilt mein dank meinen begleitern, die sich weder über mich lustig gemacht, noch meine eigenen bedenken durch allzu übertriebenes kümmern potenziert haben).

herumliegen war spätestens an diesem punkt trotzdem schön und notwendig.

der berg fordert seinen tribut

und dann stolperten wir gemütlich zu tale und das einzige problem war die hitze. noch einmal gute 500 höhenmeter abwärts, aber ohne kletterei oder kämme, nur sehr holprig und sicher nicht besonders gut für die fußgelenke und beteiligten bänder. aber die schutzhütte, unser nachtquartier, entfaltete doch eine ziemliche sogwirkung, der der männliche teil der seilmannschaft auch entsprechend willenlos nachgab. dafür hatte ich den kopf schon einmal nass gemacht und mein erstes radler vernichtet, als die nachhut ankam.

hüttengaudi

später am abend dann nur noch essen und mehr radler. wir waren alle zu müde für echte gemütlichkeit und gegen 21.30 ging ich auf kurs gen schlafsack, der mich dann auch in seine arme nahm und bis zum nächsten morgen nicht wieder hergab.

... comment

 
Weiter?
Sehr schön geschrieben, da will ich mehr von :) ! Wirklich, ich habe sofort angefangen zu träumen...ich liebe das bild wo ihr alle rum liegt. Herrlich! Würdest Du sagen, dass Du über Deinen Schatten gesprungen bist? Ich meine, für jemandem mit Höhenangst eine beachtliche Leistung! Außerdem finde ich es ertaunlich, dass Du am Ende so locker flockig am Rande zum Abgrund liegst und dabei auch noch entspannt aussiehst. War wahrscheinlich so ne Art Selbstheilung.

... link  

 
alles nur gelogen
@ sabrina l
zumindest das bild auf dem ich scheinbar am abgrund lümmele. hinter mir erstreckt sich unsichtbar eine sanft abfallende hochebene oder so. aber über meinen schatten bin ich an diversen stellen definitiv gesprungen oder besser gesagt geklettert. und irgendwie würde ich es gern wieder tun und dann auch mit dir, wenn du magst und dich "traust".

... link  

 
immer gern
na klar geh mit dir klettern!

... link  


... comment